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Neue Zuercher Zeitung
July 4, 1998
SECTION: AUSLAND; Seite 3
LENGTH: 795 words
HEADLINE: Gute Noten der Republikaner fuer das Weisse Haus; Positive Reaktionen auf die
Reise des Praesidenten
BYLINE: Schmid U.
DATELINE: U. Sd. Washington, 3. Juli
BODY:
Die Republikaner haben, wenn auch mit zahlreichen Vorbehalten, erklaert, dass
die Chinareise Praesident Clintons ein Erfolg war. Parteistrategen, die daran
dachten, die Reise bei den kommenden Parlamentswahlen auszuschlachten, werden
den Politikern, fuer die sie arbeiten,
Zurueckhaltung empfehlen. Die hartnaeckigsten Kritiker Clintons sind allerdings
von ihrer Verurteilung der Reise nicht abgewichen.
Es kommt selten vor, dass die Republikaner gute Worte fuer Praesident Clinton
finden. Doch angesichts der fast durchwegs positiven Reaktionen
in der Presse und in der Bevoelkerung auf den Chinabesuch des Staatschefs haben
nicht wenige von ihnen zu erkennen gegeben, dass sie die Visite, genau wie das
Weisse Haus, im Grunde als Erfolg einstufen. Zahlreiche
Politiker und Aktivisten der Grand Old Party, gemaessigte an erster Stelle,
aeusserten sich dieser Tage positiv zum Auftreten Clintons und gaben damit zu
erkennen, dass ihnen die aetzende Kritik, mit der der Praesident vor seiner
Abreise bedacht worden war, nicht durchwegs behagte. Selbst der Speaker des
Repraesentantenhauses, Newt Gingrich, der Clinton vor einem Monat noch
aufgefordert hatte, auf die Reise zu verzichten, sah sich zu einer
Stellungnahme veranlasst. In San
Antonio, wo er fuer die Republikaner Spenden eintrieb, sagte er am Donnerstag
anerkennend, der Praesident sei vor allem mit den elektronischen Medien gut
umgegangen.
Der Druck von
"Corporate America"
Bezeichnender noch als das Lob Gingrichs, sonst nicht eben als Mann der
Zurueckhaltung bekannt, ist wohl die Reaktion James Lilleys, des amerikanischen
Botschafters in Peking zur Zeit von Praesident Bush.
Lilley sprach von einer
"politischen Erfolgsstory" und sagte, er habe den republikanischen Kongressfuehrern empfohlen, dieses
Thema im Wahlkampf im Herbst zu meiden. Jack Kemp, der
Vizepraesidentschaftskandidat Bob Doles bei den Wahlen von 1996, wurde noch
deutlicher; er bezeichnete die Reise als einen riesigen Erfolg. Jene
Republikaner und Konservativen, die darauf spekulierten, den Demokraten mit
harscher Kritik an der Chinareise Clintons im November zu schaden, haetten nun
ein Problem. Er koenne
sich nicht vorstellen, dass man mit diesem Thema politisch viel gewinnen
koenne. Clinton habe sich sehr gut gehalten.
Die milden Reaktionen der gemaessigten Republikaner, vor allem Gingrichs,
duerften als Versuch zu werten sein, sich bei
den grossen Unternehmen wieder ins rechte Licht zu ruecken.
"Corporate America", an offenen Handelskanaelen und einem freundlichen politischen Klima
interessiert, hat sich in den letzten Wochen deutlich irritiert ueber die
Haltung der Republikaner gezeigt und
die Spenden an die Partei nach Angaben von Zeitungen messbar eingeschraenkt.
Einen offenen Bruch mit dieser wichtigen Gruppe von Geldgebern koennen sich die
Republikaner nicht leisten.
Rasch verblassender Glanz?
Auch dass die Fuehrung des Repraesentantenhauses
die Abstimmung ueber einen betont chinakritischen Antrag des republikanischen
Senators Tim Hutchinson aus Arkansas um eine Woche verschoben hat, spricht eine
deutliche Sprache. Auch die Mannschaft des Mehrheitsfuehrers Trent Lott hat
festgestellt, dass der Staatschef
bei der amerikanischen Bevoelkerung recht gut angekommen ist, und sie weiss
natuerlich, wie nachteilig es sein kann, an Erfolgen herumzumaekeln. Dass die
unnachgiebigen Kritiker Clintons durch dieses legislative Taktieren ueberspielt
werden, ist indessen unwahrscheinlich. Politiker
wie Hutchinson, der republikanische Abgeordnete Benjamin Gilmore aus New York
oder Jim Nicholson, der Vorsitzende des Republican National Committee, sind
ueberzeugt, dass der Glanz des ersten Eindrucks rasch verblasst und die Reise
im Herbst
"kritisierbar"
sein wird. Bemaengelt wird in dieser Ecke vor allem, dass sich Clinton um klare
Stellungnahmen zu Taiwan und Tibet gedrueckt habe.
Kritik chinesischer Dissidenten
Washington, 3. Juli. (ap) Chinesische Dissidenten in den USA haben den
China-Besuch Clintons als Fehlschlag bezeichnet. Clinton habe sich seinen
kommunistischen Gastgebern gegenueber naiv verhalten, erklaerte
Shengde Lian, einer der Fuehrer der Demokratiebewegung von 1989, am Donnerstag. Als
Clinton den roten Teppich auf dem Tiananmen
betreten habe, sei es gewesen, als trete er auf das Blut der Aktivisten, die
vor neun Jahren auf dem Pekinger Platz niedergemetzelt wurden, sagte der
Regimekritiker. Ein weiterer Dissident, der Menschenrechtler Ye Ning,
erklaerte, Clintons
Besuch habe die Demokratiebewegung in China geschwaecht. Clinton habe der Welt
und vor allem dem chinesischen Volk den Eindruck vermittelt, dass die Regierung
der Vereinigten Staaten die kommunistische chinesische Fuehrung stark und
bedingungslos unterstuetze, sagte
er.
LOAD-DATE: July 6, 1998
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